Im Leben eines Hanfaktivisten gbt es schöne und weniger schönere Momente. Einen der letztgenannten Kategorie erlebte ich beim Veranstaltergespräch zur am kommenden Samstag stattfindenden Hanfparade. Dort traf ich auf einen Beamten, der mir relativ drastisch zu verstehen gab, dass wir auf Deutschlands größter Demonstration für die Legalisierung von Cannabis mit einem massiven Polizeieinsatz rechnen müssen.

Eigentlich hatten wir Veranstalter gehofft, dass sich diese Strategie der Einschüchterung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit allgemeiner Vorkontrollen bei friedlichen Demonstrationen erledigt hätte, aber weit gefehlt. Mit einem süfisanten Grinsen teilte man mir der Beamte auf Nachfrage mit, er vertrete eine “andere Rechtsauffassung” und fühle sich an die Entscheidung des BVerfG nicht gebunden!
Angesichts der Ankündigung vorsätzlich rechtswidriger Kontrollen und der im Raum stehenden Drohung der Polizei, die besonderen (Schutz-)Rechte von Cannabispatienten mit einer Erlaubnis nach §3 BtMG nicht zu achten, wuchs in mir der Wunsch, die Paradebesucher mit den nötigen Informationen auszustatten, um rechtswidrige Taten der Polizei, wenn wir sie schon nicht verhindern können, zumindest so gut zu dokumentieren, dass eine Überprüfung der polizeilichen Strategie vor Gericht möglich wird.
Ergebnis vieler Stunden Aktenstudium und mehrerer Gespräche mit Verwaltungsrechts- und Strafrechtsanwälten ist ein knapp halbstündiger Vortrag über die Rechte und Pflichten der Polizei auf Demonstrationen und ein “Handzettel Demorecht“, der eventuelle Rechtsverstöße der Beamten dokumentieren hefen soll.
Vorkontrollen sind Verfassungswidrig
Der erster Teil der Serie informiert über die Entscheidung des BVerfG vom 12.05.2010, in der “allgemeine Vorkontrollen” bei Demonstrationen verboten wurden, wenn kein konkreter Tatverdacht auf erhebliche Straftaten vorliegt.
Im Video erkläre ich, dass das Urteil unter anderem bedeutet, dass pauschale Durchsuchungen auf der Hanfparade illegal sind und stelle einen Handzettel vor, der uns Teilnehmer dazu in die Lage versezten soll, gegen rechtswidrige Maßnahmen der Polizei vorzugehen.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2010
Ein Eingriff ist nicht nur dann gegeben, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>). Die Auflage, dass die Teilnehmer einer Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, behindert den freien Zugang zu der Versammlung. Eine polizeiliche Durchsuchung ist - zumal wenn sie pauschal jeden Versammlungsteilnehmer erfasst - geeignet, einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten, die Teilnehmer in den Augen der Öffentlichkeit als möglicherweise gefährlich erscheinen zu lassen und damit potentielle Versammlungsteilnehmer von einer Teilnahme abzuhalten.
…Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus.
…Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Gegen die friedliche Versammlung,…, darf nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden.
…
Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen ohne hinreichende konkrete Tatsachengrundlage reichen jedoch, wie dargelegt, für die Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG nicht aus.Zitat aus dem Urteil des BVerfG vom 12.05.2010 (1 BvR 2636/04 Randziffer 15 ff.)
Ausweispflicht für BeamtInnen
Der zweite Teil informiert darüber, unter welchen Bedingungen sich Berliner Polizeibeamte Bürgern gegenüber legitimieren müssen.
Er erklärt, welchen Inhalt die geheime Polizeidienstvorschrift PDV 350 hat und zeigt, wann PolizistInnen ihre Dienstnummer bzw. ihren Namen herausgeben müssen.
Dr. Martin Kutscha Professor für Staats- und Verwaltungsrecht Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Die bestehende Polizeidienstvorschrift (PDV) 350, verpflichten Berliner PolizeibeamtInnen auf Verlangen grundsätzlich zur Aushändigung der Dienstkarte.
Zitat aus Polizeigewalt - ein rechtsfreier Raum?Urteil des 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin vom 12. August 2005
Nach der maßgeblichen Polizeidienstvorschrift (PDV 350, Abschnitt 3.3.6.1) ist der Polizeibeamte zwar grundsätzlich durch seine Uniform legitimiert, er hat jedoch den mitzuführenden Dienstausweis bei begründetem Verlangen vorzuzeigen.
Zitat aus der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 12.08.2005
Durchsuchungen richtig dokumentieren
Der dritte und letzte Teil des Vortrags über die Rechte und Pflichten der Polizei auf Demonstrationen beschäftigt sich mit der Frage, was zu tun ist, wenn es trotz anderslautender Urteile zu Durchsuchungen der Teilnehmer einer Demonstration kommt.
Er informiert über die einschlägigen Regeln des Berlin ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) und klärt über die Rechte des Beschuldigten und die Pflichten der durchsuchenden BeamtInnen auf.
§35 ASOG Berlin
(3) Bei der Durchsuchung von Sachen hat der Inhaber der tatsächlichen Gewalt das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend, so soll sein Vertreter oder ein anderer Zeuge hinzugezogen werden. Dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist auf Verlangen eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund zu erteilen.
Zitiert nach ASOG Berlin in der Fassung vom 15. Dezember 2007
Zu guter Letzt erfahrt ihr, was die “Rollende Rechtsberatung” des Vereins für Drogenpolitik e.V. und des Hanf Museums auf der Hanfparade bietet.
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