Am Rande der Vollversammlung des Europäischen NGO- Netzwerks ENCOD (European Coalition for Just and Effective Drug Policies) hatte ich die Möglichkeit mit Joep Oomen, belgischer Legalize-Aktivist und Sekretär der Organisation, ein Interview über die Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Drogenkonsumenten an der europäischen Drogenpolitik zu führen.
Joep berichtet über die Entstehung und Arbeit der einzigen europäischen Lobbyorganisation für Konsumenten psychoaktiver Stoffe. Er informiert über die Chancen der EU-Bürgerbeteiligung und schildert seine Erfahrungen damit, Wege um und in Lücken in nationalen Gesetzen zu finden, um die legalen Spielräume für Konsumenten zu erweitern.
Im Folgenden findest du ein übersetztes Transscript des Interviews. Es gilt das primat des gesprochenen Wortes.
Joep Oomen über europäische Drogenpolitik von unten
Steffen Geyer: Willkommen zum Tagesrausch. Heute in Englisch, weil ich einen nichtdeutschen Besucher habe. Das ist Joep Oomen, dem ich vor Jahren auf meinem ersten ENCOD-Treffen begegnete und ich habe ihn gebeten, ein wenig von der europäischen Ebene der Drogenpolitik zu berichten und zu erklären, wie ihr in sie integriert sein könnt.
Vielleicht beginnst du damit dich kurz vorzustellen.
Joep Oomen: Ich bin 48 Jahre alt. Ich arbeite seit 1993 als drogenpolitischer Aktivist. Ich begann meine Arbeit mit einer Koalition von NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die eine andere Botschaft in die europäische Drogendebatte einbringen wollte. Die Botschaft der Bürger, die direkt von dieser Politik betroffen sind oder sich um sie sorgen.

Wir begannen mit einer Initiative über einen Nord-Süd-Aspekt dieses Problems und versuchen und beeinflussen europäische Drogenpolitik dazu, eine Alternative zur amerikanischen Drogenpolitik zu sein, um einen Raum für Debatten darüber zu schaffen, welches der beste Weg ist, wie wir den Markt für kontrollierte Substanzen, unter Einbeziehung der Bedürfnisse der Produzenten am Produktionsende dieses Marktes und der Bedürfnisse der Konsumenten, auf eine nichtprohibitionistische Art organisieren und regulieren können.
Wir arbeiten seit 17 Jahren daran und haben es geschafft, eine Plattform aus 160 Mitgliedern zu etablieren, die durch Versammlungen arbeitet, wo wir wie dieses Mal zusammenkommen und die entscheiden, was die globale Politik sein sollte. Und dann gibt es eine kleine Gruppe von Menschen, die diesen Entscheidungen folgen und sie umzusetzen versuchen. Und dann gibt es das Sekretariat, welches die tägliche Arbeit macht und dafür bin ich verantwortlich.
Ok, du bist also der Körper. Im Moment haben wir den Kopf, die Vollversammlung, die die Entscheidungen trifft und du bist die arme Person, die die Arbeit dann tun muss.
Ja. Ich sollte Hände und Füße der Organisation sein. Natürlich gibt es andere, die die ehrenamtliche Arbeit machen, aber ich sollte alles in Bewegung setzen.
Siehst du eine reale Chance für Drogenkonsumenten an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt zu sein oder ist das eher eine Don Quijote-Arbeit?
Es steckt schon viel Don Quijote in der Arbeit. Wir fühlen, dass wir Pionierarbeit in einem Gebiet leisten, das ein Tabu ist. Die Politiker im Dienst der Gesellschaft haben ein Problem darüber zu sprechen, weil sie in ihrer Sprache sehr begrenzt sind. Sie wollen die Bürger, die direkt betroffen sind, gar nicht wirklich erreichen, weil sie Angst davor haben, was sie dann hören würden. Sie wissen nicht, wie sie mit diesen Informationen umgehen sollen. Aber dabei zeigen sie, dass sie sehr genau wissen, dass da etwas schief läuft an diesem Ende.
Sie wollen zeigen, dass sie die Zivilgesellschaft integrieren, die NGOs und diesen Teil des ganzen Phänomens. Aber wenn es hart auf hart kommt, dann - bestenfalls - hören sie dich an und lächeln aber ignorieren völlig, was du gesagt hast oder suchen sie die Stücke aus, die für ihre Ziele passen.
Ich habe deshalb wenig Hoffnung, dass wir in der nahen Zukunft eine echte offene Debatte erleben werden, einen offenen Dialog zwischen Bürgern und Politikern über dieses Thema.
Aber wir finden auch etwas heraus: Wir entdecken, wie Politik wirklich arbeitet. Es ist nicht notwendig immer der Idee zu folgen, dass man eine politische Partei oder NGO-Plattform oder andere Menschen braucht, die die Arbeit für einen machen, Dinge zu ändern.
Politiker sind wichtig, aber was wichtiger ist, ist was auf der täglichen Ebene passiert und in der Gesellschaft. Und dass es geht, auch durch das Vorschlagen von Modellen, durch den Versuch diese Modelle langsam zu Implementieren und mit aller Transparenz zu zeigen, was man erreichen möchte, warum man es erreichen möchte und warum man diese Schritte gegangen ist.

Ich bin davon inspiriert, welche Möglichkeiten die das politische System erlaubt auch abseits des Rahmen der politischen Debatte. Das man es umgehen kann und seine eigenen Modelle entwirft und versucht diese innerhalb der Grenzen zu implementieren und dann diese Grenzen verschiebt, so dass die Spielräume breiter werden.
Und da gibt es die Idee des Cannabis Social Clubs, die von einigen Organisationen bereits in Spanien implementiert worden war, die dann Mitglied wurden und uns die Idee vorstellten. Und wir verbreiten sie und wir versuchen sie in anderen Ländern zu etablieren und wir machen Lobbyarbeit dafür, weil wir denken, das ist eine aktive Sache, die die Leute machen können. Niemand muss sich dafür tief in einen Haufen Dokumente einarbeiten oder politische Verlautbarungen vorbereiten oder so etwas. Sie können dies den Politikern und den Medien zeigen und so zu einem Teil der Debatte werden.
Wir hoffen, dies mit neuen Initiativen auf einem globalen Level fortsetzen zu können. Wir (ENCOD) kombinieren die Lobbyfunktion - mit Politikern zu sprechen, wir organisieren Anhörungen, wir schreiben unsere Vorschläge nieder - und gleichzeitig handeln wir und zeigen den Menschen, auch ganz normalen Menschen auf der Straße, worum es überhaupt geht und interessieren sie für das Thema auch wenn sie keine Konsumenten sind. Und langsam gewinnen wir ihre Herzen und Köpfe, um ihnen zu zeigen, das der gesunde Menschenverstand zu herrschen beginnen sollte und das sie eine Politik loswerden sollten, die nicht funktioniert, teuer ist und viel Schaden verursacht.
Ja, ich hätte es nicht besser sagen können. Wenn ihr mehr über Joep und ENCDO und wie wir unter Einbeziehung von einhungertundzerquetschten nationalen Organisationen auf europäischer Ebene arbeiten, besucht bitte www.ENCOD.org.
Vielen Dank für das Interview. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder.
Danke. Ich auch.
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