Donnerstag, Februar 25, 2010

MPU und Führerscheinentzug

Im 3. Teil der Interviewserie über Drogen im Straßenverkehr “MPU und Führerscheinentzug” erklärt Theo Pütz vom Verein für Drogenpolitik e.V. unter anderem, warum selbst diejenigen Konsumenten, die nie berauscht gefahren sind, eine MPU (Idiotentest) fürchten müssen und unter welchen Umständen der Führerschein entzogen wird.

Der erste Teil des Interviews beschäftigte sich mit dem richtigen Verhalten bei “Polizeikontrolle und Drogenschnelltests“.

Teil zwei “Blutprobe und Trunkenheitsfahrt” informierte über die Nachweiszeiten verschiedener Drogen und erklärte die Folgen positiver Blutproben.


Im Folgenden findet ihr ein Transscript des Beitrags “MPU und Führerscheinentzug“. Es gilt das Primat des gesprochenen Wortes.

Martin Semmelrogge, deutscher Schauspieler Martin S. fürchtet nach positivem Drogenschnelltest um seinen Führerschein
Foto: Jean Pierre Hintze

Kennt ihr den? Das ist Martin und Martin ist einer von uns.

Damit will ich nicht sagen, dass wir alle Schauspieler mit zweifelhaftem Freundeskreis sind, aber Martin ist in eine Verkehrskontrolle gekommen und jetzt denkt die Polizei, er wäre ein Kiffer.

Martin hat nämlich den Schnelltest nicht verweigert, was ihr hoffentlich alle machen werdet, wenn die Polizei euch wieder einmal anhält.

Deshalb ist Martin einer der Kandidaten, der ganz dringend mal den dritten Teil des Interviews über Drogen im Straßenverkehr gucken sollte.
Und der kommt deshalb jetzt!

Fahren unter Drogeneinfluss

Steffen: So… Dann kriege ich irgendwann Post von der Führerscheinstelle: “Sehr geehrter Herr Geyer. Sie sind ein böser kleiner Kiffer und wir wollen Ihnen den Führerschein wegnehmen.”

Theo Pütz: Im Moment sieht die überwiegende Praxis aus, wenn jetzt ein formaler Verkehrsverstoß vorgelegen hat, sprich es gab eine Verkehrskontrolle und der Bußgeldbescheid ist ergangen oder man ist überhaupt im Straßenverkehr kontrolliert worden, dann bekommt man in erster Linie Post von der Ordnungsbehörde. Gegen dieses Bußgeld kann man Widerspruch einlegen.

Je nach gefundenen Substanzen, ihren Konzentrationen und der Situation (Unfall etc.) sind Trunkenheitsfahrten Ordnungswidrigkeiten nach §24a StVG oder Straftaten §316 StBG.

Führerscheinstellen jagen Kiffer

Und parallel dazu kann aber schon die Verwaltungsbehörde kommen, über eine andere Rechtsnorm, und kann schon entweder eine Überprüfung der Fahreignung in Form einer Anordnung einer MPU (Idiotentest) fordern oder - und das ist die Strategie, die sie im Moment vielfach fahren - gehen hin und entziehen über das Verwaltungsrecht den Führerschein, wegen angeblich “fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen”, weil der Betreffende scheinbar nicht in der Lage ist zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme zu trennen.

Dabei ist es der Verwaltungsbehörde auch piepschnurzegal ob diese Drogenfahrt letztendlich schon bewiesen ist.

Unabhängig von Straftaten und Verkehrsteilnahme kann die Führerscheinstelle eine MPU anordnen, wenn Hinweise auf wiederholten Konsum illegaler Drogen bestehen.

Schlimmstenfalls wird der Führerschein direkt entzogen, weil der Betroffene angeblich nicht zwischen Konsum (berauscht) und Teilnahme am Straßenverkehr (nüchtern) trennen kann!

Man kann gegen den Bußgeldbescheid als solches Widerspruch einlegen. Man kann dagegen klagen. Kann diese Klage unter Umständen auch gewinnen. Dies hat aber keine Auswirkungen darauf, dass die Verwaltungsbehörde den Führerschein schon gänzlich entzogen hat.

Steffen: Das klingt ganz schön ungerecht.

Theo Pütz: Ja, dass ist ganz klar eine Konsumbestrafung über die Hintertür des Verkehrsrechtes. Das ist auch daran abzulesen, dass die Polizei mittlerweile sehr verstärkt auch in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) Konsum als solches ermittelt, was für die strafrechtliche Bewertung völlig irrelevant ist, wenn es um den Besitz von Betäubungsmitteln geht.

Steffen: Weil der Konsum ja nicht illegal ist.

Drogentests immer verweigern!

Theo Pütz: Er ist zumindest nicht strafbar. Von daher hat die Strafverfolgungsbehörde an sich gar keinen Auftrag dahingehend zu ermitteln, wenn sie nicht wüsste, dass mit den Konsumangaben die Führerscheinstelle über das Verwaltungsrecht im Grunde genommen indirekt den Konsum bestraft.

Steffen: Ja, aber es ist doch eigentlich Aufgabe der Polizei, Straftaten zu ermitteln und nicht Verhalten zu ermitteln, das nicht straftatbewehrt ist?

Theo Pütz: Richtig. Grundsätzlich schon. Im Zweifelsfall werden sie argumentieren, dass dient zur Gefahrenabwehr, weil man ja ungeeignete Kraftfahrer aussortieren müsste.

Auch außerhalb des Verkehrs gewonnene “Konsumerkenntnisse” können zum Verlust des Führerscheins führen. Ihr solltet deshalb Drogentests und Aussagen immer verweigern!

Dem Argument aber gefolgt, müssten sie auch grundsätzlich Konsumgewohnheiten von Alkoholkonsumenten hinterfragen, wie oft sie denn wöchentlich konsumieren würden.

Steffen: Dann wäre es leer auf Deutschlands Straßen.

Theo Pütz: Sehr leer!

Steffen: Oder tausende Arbeitsplätze in Brauereien verloren.

Theo Pütz: Das glaube ich kaum. Da würden zumindest die Bayern wahrscheinlich eher zu Fuß gehen.

Wer sollte auf Konsum verzichten?

Steffen: Wenn ich denn dann die Androhung habe, mein Führerschein soll mir entzogen werden, an wen kann ich mich wenden, um Hilfe zu kriegen? Es gibt doch bestimmt Tricks für dieses Verfahren, damit ich den Führerschein schneller wiederkriege oder er erst gar nicht weg ist. Wer kann mir helfen?

Theo Pütz: Grundsätzlich, da nochmal vorgegriffen, sobald irgendwie ein Strafermittlungsverfahren läuft oder man in eine Verkehrskontrolle gekommen ist (mit Blutprobe, ohne Blutprobe), vorerst den Konsum einstellen.

Jeder, der bei Kontrollen Angaben zu seinem Konsumverhalten gemacht hat bzw. dem er per Drogentest “nachgewiesen” wurde, muss mit einer MPU (Idiotentest) rechnen.

Steffen: Auch wenn noch gar nichts passiert ist, von Amtswegen?

Theo Pütz: Vorsichtshalber sollte man ihn erstmal gänzlich einstellen und abwarten, was da unter Umständen noch hinten dran kommt.

Es kommt halt auch überwiegend zu Fällen, wo eine Drogenfahrt nicht nachgewiesen werden konnte, dennoch auch - was weiß ich- noch ein halbes Jahr oder Jahr später plötzlich eine MPU von der Führerscheinstelle angeordnet wird, weil einem vorgehalten wird, man hätte da eine Drogenfahrt hingelegt, obwohl gar keine bewiesen worden ist.

Verein für Drogenpolitik e.V.

Steffen: Merkwürdig… Und wer hilft mir dann? Ich versuche die ganze Zeit dir den VfD raus zu kitzeln.

Theo Pütz: Ja, der VfD über das Fachreferat “Drogen und Verkehrssicherheit” beschäftigt sich halt primär mit der Problematik auf allen möglichen Ebenen. Auf der juristischen Ebene, auch hinsichtlich Fahreignungsbegutachtung, wie da die Spielregeln sind und kann da im Grunde genommen, wenn es die Zeit zulässt, auch beratend tätig werden.