Auch ein schiefer Baum trägt süße Früchte.
(chinesisches Sprichwort)
Der folgende Text ist eine schamlose Adaption des am 15.05.2013 unter dem Titel “Bis „Fotze“ ein Kompliment ist” in der taz erschienenen Originals von Margarete Stokowski.
Dass gleich was kommen würde, sah ich an der Art, wie R. den Kronkorken seines Flens malträtierte. Irgendwas wollte er. „Du“, sagte R., „kann ich dich was fragen?“ – „Immer.“ – „Wie wird man Hanfaktivist?“ – „Uff.“ – „Du bist doch Aktivist und ich wollte auch gern Legalisierer werden.“ – „Wolltest du?“ – „Will ich. Total. Vielleicht bin ich es auch schon“, sagte er, „ich weiß es nicht.“

„Also“, fing ich an, „hmm. Es gibt ja nicht nur einen Aktivismus…“ – „Ich will den Besten!“, rief R., „den Coolsten und so. Nicht den, wo man armdicke Fakejoints raucht, sich festnehmen lässt, Polizisten hasst und ihnen die Schwänze abschneiden will.“ „Kennst du Legalisierer, die das machen?“, fragte ich. „Nee“, R. schüttelte den Kopf, „nicht wirklich. Ich glaub, ich will so einen Aktivismus, wie du hast.“ Es klang lustig, wie er das sagte. „Was muss ich tun?“, fragte R. und sah mich an.
„Müssen musst du da nur wenig“, sagte ich. „Du kannst mit folgendem Standpunkt anfangen: Ich bin okay so wie ich bin und kein verdammtes Arschloch soll mir in mein Leben reinreden oder ungefragt meinen Körper kommentieren, oder mein Verhalten oder was ich rauche und ich will nicht weniger Möglichkeiten haben als Leute, die Nüchtern leben.“
R. nickte heftig, wackeldackelmäßig. „Das mach ich schon“, sagte er, „und ich finde auch schon das Oktoberfest scheiße, ich hasse Prof. Thomasius, kaufe keine überteuerten Kräutermischungen und ich bin für Jugendschutz und DrugChecking und so!“
„Das ist schon viel“, sagte ich, „und alles super.“ „Ich will aber nicht so ein Kampflegalisierer werden“, schob R. hinterher, „ich will trotzdem normale Klamotten tragen und meine Haare schneiden lassen.“
„Weißt du“, sagte ich, „das Problem ist: Wenn du Legalisierer bist, bist du immer irgendwie ,Kampflegalisierer‘. Solange die Prohibition besteht.“ „Prohibition“, stöhnte R., „das find ich komisch, das Wort.“ „Naja“, sagte ich, „dann eben, solange der eine Rausch erlaubt und der andere verboten ist, solange Alkoholkonsum vor Gericht strafmildernd wirkt, während Homegrower im Knast sitzen, solange mehr Führerscheine entzogen werden als es Suchthilfeplätze gibt und solange ,Kiffer‘ ein Schimpfwort ist.“ – „Okay.“ – „Als Legalisierer kämpfst du. Sonst bräuchten wir das alles nicht. Du wirst so viel Scheiße sehen, wenn du nur hinguckst. Welche Hose du dabei trägst und ob deine Haare rot sind, ist egal.“
„Es ist anstrengend, ne?“, fragte R. „Es ist abgefuckt anstrengend“, sagte ich, „aber es macht auch Spaß. Beides.“
„Weißt du“, sagte ich, „seit ich Legalisierer bin, kann ich im Frühling nicht mehr aus dem Fenster gucken, ohne mindestens tausend Tripps zu sehen.“ – „Ohne was?“ – „Da steht ne Pappel im Hof, vor meinem Fenster. Und die Knospen sind psychoaktiv, und ich denke jedes Mal, das sind alles Pappen, die sich zur Sonne hochrecken.“ – „Das ist krass.“ – „Aber das ist jetzt nicht so spezifisch leg…“ – „Ich will das auch!“, unterbrach mich R., „ich will auch Pappenbäume sehen und kämpfen und das alles! Bis ,Kiffer‘ ein Kompliment ist, verdammt.“
Wir stießen mit unserem letzten Schluck Bier darauf an.
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