Mittwoch, Dezember 23, 2009

Drogenpolitik 2009 - Jahresrückblick (Teil 1)

Wenn die letzten Wochen eines Jahres angebrochen sind, ist sie da, die Zeit der Besinnung.

Bevor ich mich auf den Weg zur Sippe mache, will ich mich deshalb heute mit Euch daran erinnern, was das Jahr 2009 drogenpolitisch gebracht hat.

Ich lade dazu ein, Geschehenes in Wort, Bild und Video Revue passieren zu lassen und von dem zu träumen, was uns 2010 erwartet.


Januar 2009

10.01. Legalisiert Kalifornien Cannabis?

Das Jahr begann mit der ersten Anhörung zu einem Gesetzentwurf, der dem Kalifornischen Parlament im Dezember 2008 vorgelegt wurde.

Die “Assembly Bill No. 390” forderte nicht weniger als die vollständige Legalisierung von Cannabis für Erwachsene.

21.01. Caritas fordert Ende des Drogenkriegs

Auch in Deutschland bröckelte 2009 die Front der Drogengegner. Sogar größte deutsche Sozialverein, die Caritas, sieht die repressive Drogenpolitik als gescheitert an. Dies erklärte ein Sprecher des Hilfswerks der katholischen Kirche im Rahmen der Konferenz “Drogenkonsum: Neue Formen, neue Antworten, neue Politik“.

Die Zahlen belegen, dass die Null-Toleranz-Doktrin nicht den erhofften Erfolg hatte. Wir müssen dies zur Kenntnis nehmen und anerkennen, dass Drogen Teil der gesellschaftlichen Realität sind, so Oliver Müller.

22.01. Bätzing verbietet “Kräuterdroge” Spice

Von der Erkenntnis, dass Drogenverbote Drogenelend nicht verhindern weitgehend unbeeindruckt, endete am 22. Januar 2009 die kurze aber heftige Karriere der als Räuchermischung vertriebenen “Kräuterdroge” Spice mit einem Verbot per Eilantrag.

Die vom britischen Unternehmen “the Psyche Deli” produzierte, dank Medienhype zunehmend als Rauschdroge “missbrauchte” Mischung enthielt nach Aussage des BKA die seit diesem Tag in Deutschland verbotenen Chemikalien JWH-018 und CP-47,497. Die beiden Stoffe, die für die psychoaktiven Effekte von Spice verantwortlich sein sollen, stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.


Februar 2009

01.02. Kiffender Phelbs spaltet die USA

Aufreger des Monats Februar waren Bilder, die den 14-fachen Olympiasieger und Schwimmstar Michael Phelps beim Rauchen einer Bong zeigten. Der 23-jährige US-Amerikaner entschuldigte sich umgehend bei Fans und Sponsoren für sein “Fehlverhalten”, äußerte sich jedoch nicht dazu, ob er illegale Substanzen konsumiert (hat).

Einer seiner Hauptsponsoren, der Cerealienhersteller Kellogg, kündigte daraufhin an, einen hoch dotierten Werbevertrag nicht zu verlängern. Phelps habe sich nicht ausreichend von Drogen distanziert.

Als Reaktion auf den Rausschmiss starteten Legalisierungsaktivisten eine Kampagne gegen Kellogg und riefen zum Boykott auf.


März 2009

17.03. Durchsuchung bei der IACM

Im März drang ein Polizeikommando in die Räume der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und die Privaträume von Dr. Franjo Grothenhermen ein. Grund für die überraschende Hausdurchsuchung war ein Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber der Hanfapotheke.

Die Beamten vermuteten in den Unterlagen der IACM Hinweise auf “verbrecherische Aktivitäten im Zusammenhang mit der Hanfapotheke”. Diese hatte sich bis zu ihrer Selbstauflösung Anfang 2008 darum bemüht, Schwerstkranke mit kostenloser Cannabismedizin zu versorgen und dazu Kontakte zwischen Patienten und freiwilligen Cannabisspendern geknüpft.

31.03. Bleigras in Bayern - Bericht von Akte09

Im Jahr 2007 waren mehr als 100 Menschen aus Leipzig durch verunreinigtes Marihuana mit Blei vergiftet worden.

Im Februar und März 2009 wiederholte sich ähnliches in Bayern. Zum Glück mit weit weniger Betroffenen, aber gefährlich genug für die Macher des “Magazins” Akte09.

Heraus kam ein Bericht, der die Gesundheitsgefahren gestreckter Cannabisprodukte verdeutlicht, leider aber keinen Gedanken an den Einfluss der Repression auf das Risiko der Konsumenten verschwendet.


April 2009

20.04. Fourtwenty-Day sorgt für Streit

Ausgehend von den USA wird der 20. April mehr und mehr zum inoffiziellen Welt-Marihuana-Feiertag. In den Vereinigten Staaten wurde 2009 heftig darum gerungen, wer ihn wie begehen darf. Es standen sich gegenüber:

Richard Lee, Präsident der Oaksterdam University, der 4/20-Day zum St. Patricks Day der Kiffer erklärte und ihn mit SmokeIns, Paraden und Partys begangen sehen will.

Sein “Gegenspieler” war der Chef des New Yorker Büros der Drug Policy Alliance Malakkar Vorhyzek, der meinte, die Kiffer hätten noch nicht gewonnen und erst recht nichts zu feiern. Er forderte dazu auf, das gestiegene Medieninteresse am 4/20-Day zu nutzen und mit Protestveranstaltungen und Demonstrationen politische Forderungen zu transportieren.


Mai 2009

09.05. GMM weltweit mit rund 300 Städten, 1. Hanftag in Berlin

Anfang Mai findet in aller Welt der Global Marijuana March statt. Zu den mehr als 300 beteiligten Städten des GMM2009 gesellten sich mit Berlin, Frankfurt/Main und Potsdam auch drei deutsche.

Größes deutsches Event war der erstmal stattfindende Hanftag in Berlin, bei dem rund 300 Demonstranten unter den Blicken Tausender Berlin-Touristen vom Brandenburger Tor zum YAAM zogen. Dort verwandelte sich die Demo in ein Hanffest mit Infoständen, Food und Musik.

Politische Höhepunkte waren die Reden von Hans-Christian Ströbele (MdB, Bündnis 90/ Die Grünen) und Monika Knoche (MdB, Die Linke).

Am Hanfwandertag in Wien nahmen sogar mehr als 1.500 Hanffreunde und Legalizeaktive teil.

Sie zogen vom Westbahnhof über die Mariahilferstrasse zum Parlament. Dort wurde unter anderem ein Riesenjoint geraucht, ohne dass die Polizei einschritt.

Am Abend lockte eine hanfige After-Party die Teilnehmer in die Arena.

Der GMM 2010 findet am 01.05. und 08.05. statt. Beteilige auch Du Dich mit einer Aktion in Deiner Heimatstadt!

28.05. Bundestag beschließt Heroin auf Krankenschein

Nach jahrelangem Streit ist der Weg zur staatlichen Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige seit 28. Mai bundesweit frei. Der Bundestag folgte an diesem Tag einem von der SPD initiierten Antrag. Der Gesetzentwurf wurde von der Opposition unterstützt. Die Union lehnte ihn ab.

Um für eine Verschreibung von Heroin in Frage zu kommen, müssen Betroffene seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sein, mindestens zwei erfolglose Therapien hinter sich haben und mindestens 23 Jahre alt sein.


Juni 2009

15.06. Kriminalstatistik 2008 vorgelegt

Anfang Juni hat der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Polizeiliche Kriminalstatistik 2008 (PKS) veröffentlicht. Darin steht unter anderem:

Die Zahl der Rauschgiftdelikte hat sich um 3,4 Prozent verringert. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Drogenarten zeigt sich bei … Cannabis eine Abnahme um 6,3 Prozent auf 132.519 Fälle. Cannabis nimmt insbesondere unter jungen Menschen eine Vorrangstellung ein.


Die Sicherstellungsmengen von Cannabisprodukten haben sich stark nach oben entwickelt: Haschisch ist aufgrund einer Einzelsicherung von rund 4.000 Kilogramm um 107,5 Prozent auf 7.632 Kilogramm und Marihuana aufgrund einer Einzelsicherung von rund 5.500 Kilogramm um 136,9 Prozent auf 8.932 Kilogramm angestiegen.”

Im Jahr 2008 wurde also alle vier Minuten ein Kiffer verhaftet. 100.651 mal ging es dabei lediglich um Kleinstmengen. Das sind mehr als 75 Prozent! Soviel zur viel beschworenen Entkriminalisierung!

24.06. Weltdrogenreport

Neun Tage später, am 24.Juni, wurde in Washington der Weltdrogenbericht 2009 (WDR) vorgestellt. Laut WDR haben im Jahr 2007 zwischen 143 und 254 Millionen Menschen Cannabis genutzt (Vorjahr 166 Millionen). Sie verbrauchten dabei nach Schätzungen des UNODC zwischen 8.600 und 50.900 Tonnen Haschisch und Marihuana.

Portrait des US-Drogenzar Gil Kerlikowske Gil Kerlikowske, US-Drogenzar

Gleichzeitig wurde der neue US-Drogenzar der Weltpresse präsentiert. Befragt nach den Kontroversen über eine Legalisierung von Cannabis in Kalifornien sagte er:

Das Wort Legalisierung gibt es in meinem Wortschatz nicht. Marihuana, ist eine gefährliche Droge, für deren medizinische Wirkung es keinerlei Beweise gibt.

Gil Kerlikowske, ehemaliger Polizeichef von Seattle, erklärte in einem Radiointerview Eine wie auch immer geartete Legalisierung von Drogen hieße, die weiße Flagge zu schwenken. Die Legalisierung sei kein Thema, über das er diskutiere.

Juli bis Dezember 2009

Soviel zur ersten Jahreshälfte.

Weiter geht es im zweiten Teil meines drogenpolitischen Jahresrückblicks unter anderem mit der Hanfparade, Cannabis als Medizin, verhafteten Legalizeaktivisten und der neuen Drogenbeauftragten Mechthild Dykmans.

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