Das war ein Vorspiel nur. Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.
(Heinrich Heine, deutscher Schriftsteller)

Der gestrige Samstag stand im Zeichen des Global Marijuana March. Unter den weltweit gut 250 partizipierenden Städten fanden sich mit 16 erfreulich viele deutsche. Zwischen Hamburg und Kempten trafen sich die HanffreundInnen zu ganz unterschiedliche Aktionen - größere (Hannover) und kleinere (Plauen), bewegte (Köln) und stationäre (Dresden), neue (Bremen) und alteingesessene (Frankfurt). Gemeinsam für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel zu werben, war das Ziel.
In die Freude über den gelungenen Aktionstag mischt sich heute jedoch Wut. Wut über das, was in München geschah.
Das Team des Hanftags München beteiligte sich mit einer Demonstration unter dem Motto “Mia san Mia - Ob Hanf oder Bier” am GMM. Rund 200 TeilnehmerInnen schlossen sich dem Protest in der bayerischen Landeshauptstadt an.
Nun gelten im Freistaat bisweilen andere Spielregeln, aber was bei der Zwischenkundgebung auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus passierte, darf nicht mit “bayrischen Verhältnissen” erklärt werden.
Wie im YoutubeClip “GMM Hanftag München 2014” dokumentiert, ergriff auf dem Hanftag zunächst Christoph Rossner das Wort. Er forderte die Legalisierungsaktiven dazu auf, ihre Kraft in den Dienst der Montagsdemonstranten zu stellen und die Anliegen nebst Aktiven zu verschmelzen.
Davon möchte ich (insbesondere Angesichts des Folgegeschehens) dringend abraten! Ich hielte es schon für einen Fehler, die aufkeimende Hanfszene mit anderen Anliegen zu verwässern. Noch gefährlicher wäre es, zu versuchen, sie mit einer anderen “Bewegung” zu verschmelzen - Gerade wenn es sich dabei um die (zu Recht) höchst umstrittene “Neue Friedensbewegung” aka “Ken & Co” handelt.
Das dies brandgefährlich wäre, ist ebenfalls im Youtubevideo der Zwischenkundgebung ersichtlich. Nach 2:39 Minuten ergreift ein Mann das Mikrofon, ohne das die Organisatoren ihn irgendwie vorstellen oder anmoderieren. Für Außenstehende spricht er also im Namen der HanftagsteilnehmerInnen und seine OrganisatorInnen müssen sich die folgenden Minuten anrechnen lassen.
Unter dem Beifall der “Menge” werden in knapp fünf Minuten beinahe alle Regeln des demokratischen Miteinanders und der zwischenmenschlichen Höflichkeit gebrochen.
Es geht damit los, dass dem vergleichsweise frisch gewählten Bürgermeister der Stadt München Dieter Reiter (SPD) vermeintliche Straftaten im Tierarztmilieu vorgeworfen werden ohne, dass dafür auch nur der Hauch eines Beweises vorgelegt würde. Dann folgen handelsübliche Propagandaparolen wie ein Volksvertreter, der arbeitet nur, wenn er gar keine andere Möglichkeit hat
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Weiter geht es mit offen rechtspopulistischen Beleidigungen. Von unserer Staatsratsvorsitzenden
(5:24) ist da die Rede, die durch Speichelleckereien bei Barrak Hussein Obama
(5:34) glänzt und nebenbei den 3. Weltkrieg am Horizont hochzieht
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Der abstoßende Höhepunkt einer leider bejubelten Rede ist ab 7:08 zu hören. München war schon einmal die Hauptstadt der Bewegung. Wollt ihr, dass München wieder Hauptstadt der Bewegung wird?
ruft der Redner. Und wie reagieren die TeilnehmerInnen auf derartige, offen an Nazipropaganda angelehnte Formulierungen? Sie jubeln. Und die Veranstalter? Lachen und danken für die tolle Rede
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What the Fuck?
Als ob es nicht schlimm genug wäre, auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus Rechtspopulisten das Wort zu erteilen, werden Verschwörungstheorien, Beleidigungen und Nazisprech ohne offenen Widerspruch hingenommen. Sag mal spinnt ihr liebe Münchener? Merkt ihr nicht, dass Dergleichen das völlige Gegenteil der humanistisch-aufklärerischen Grundlage der Legalisierungspolitik ist? Spürt ihr nicht jeden Tag am eigenen Leib, wie falsch Ausgrenzung, Verunglimpfung und Hetze sind? Ist nicht deren Überwindung Ziel unserer Bemühungen?
Wie kann es sein, dass es die MacherInnen des Hanftags München unterlassen, sich von derartig menschenverachtenden Äußerungen öffentlich, laut und für jeden (Außenstehenden) verständlich zu distanzieren? In der Legalisierungsbewegung, wie ich sie mir vorstelle, ist jedenfalls kein Platz für neue und alte Nationalisten, Rassisten, Homophobiker und andere Menschen, die Menschen diskriminieren. Dabei haben auch die vermeintlichen Gegner Menschenrechte. Auch Angela Merkel Würde. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir das vergessen!
Das Geschehen auf dem Hanftag 2014 in München beschämt mich.
UPDATE 1: Hatte versehentlich einen Sprecher falsch zugeordnet. Namen ist jetzt korrigiert.
UPDATE 2: Das fragliche Video wurde vom Nutzer gelöscht. Das macht die Rede jedoch nicht ungeschehen und die Diskussion über humanistische Minimalstandards in der Legalisierungsszene nicht weniger wichtig.
UPDATE 3: Das Video ist wieder da.