Aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor die kann sich kein Mensch hüten.
(Friedrich II von Preußen, preußischer König)

Eine Hausdurchsuchung ist für den Betroffenen eine traumatische Erfahrung. Unbekannte, allzu oft unangenehme, Dritte durchwühlen den privaten Schutzbereich, gehen gedankenlos mit dem um, was man für unantastbar hielt… Noch “schlimmer” wird es, wen sich zur privaten Ohnmacht die öffentliche Demütigung gesellt.
Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung wissen um die Gefahren des Mobs und geben Angeklagten in Strafverfahren deshalb besondere Schutzrechte. Dies betrifft u.a. die Berichterstattung in den Medien.
BGH, Urteil vom 7. 12. 1999 - VI ZR 51/99
- Randziffer 18
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist zunächst das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst “Öffentlichkeitswert” verleihen (…). Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht um so höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird (…). Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt (…). Unzulässig ist nach diesen Grundsätzen eine auf Sensationen ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden (…). Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (…). Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
Zitat von Lexetius
Natürlich sollen “die Medien” über wichtige Kriminalfälle berichten können. Allerdings mit besonderer Zurückhaltung.
LG München I, Beschluss vom 30. August 2011, Az. 9 O 13876/11
- Gründe 1. b.
Es ist damit jeweils im Einzelfall - so auch hier - durch eine Abwägung zu entscheiden, ob die Namensnennung bzw. Identifizierung zulässig ist. Dabei ist darauf abzustellen, ob im Hinblick auf die Berichterstattung gerade die Identifizierung des Angeklagten ein gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers überwiegendes Informationsinteresse anzunehmen ist (…).
Dies kann sich aus der Schwere der Tat, der Stellung des Angeklagten im öffentlichen Leben, einer möglichen Verbindung seines Handeins mit seinem öffentlichen Wirken ergeben. Zugleich können sich Einschränkungen aus den privaten Lebensverhältnissen des Angeklagten ergeben (…).
Die vorliegend im Raum stehende Straftat ist sicherlich keine Straftat der Kleinkriminalität, sie ist jedoch auch nicht als schwere Straftat einzuordnen, bezieht man mögliche schwerwiegendere Übergriffe gegen Minderjährige oder gar Kinder sowie Kapitalverbrechen mit in die Wertungsskala.
Zitat von OpenJur

Kaum ein Leser wird mir widersprechen, dass er oder sie sich im Fall der Fälle, Zurückhaltung in der öffentlichen “Diskussion” wünschen würde. Ich wette, dass dies auch für M. gilt. Trotzdem gewähren “wir” ihm die Selbstverständlichkeit der Unschuldsvermutung nicht und überschreiten die Transparenzgrenze “Privatsache”.
Kaum das der Fall öffentlich wurde, wird M. von den Einen als Schwerverbrecher vorgeführt und von Anderen zur Galionsfigur überhöht. Dabei ist angesichts der geringwertigen Vorwürfe schon das “Bekanntwerden” ein erschreckender Vorgang.
Ja, M. ist Funktionär einer Partei. Das macht seine Erfahrung aber noch lange nicht zu einer Angelegenheit der Partei!
M. hat die Tat als Privatmann begangen. Sie spielt sich im Bereich seiner privaten Lebensführung ab. Sein berufliches und damit nach außen tretendes Wirken vollzieht sich ohne jeden Zusammenhang zur begangenen Tat.
Es steht uns meiner Meinung nach deshalb nicht zu, ihn zur öffentlichen Stellungnahme zu drängen oder ihn vor “unseren Karren zu spannen”.
Letzteres gilt umso mehr, als dass die Sache längst noch nicht ausgestanden ist. Wer heute zur öffentlichen Solidarität mit M. aufruft, muss sich morgen womöglich den Vorwurf gefallen lassen, dass sein Verfahren damit unnötig politisch aufgeladen wurde. Von Presse oder Lokalkolorit bedrängte Staatsanwalt oder ob lästiger Kameras und Mikrofone missgestimmte Richter können für M. einen wesentlichen Unterschied bedeuten.
Dazu kommt - Auch in der Partei der M. angehört, haben “wir” mehr zu verlieren als zu gewinnen. Innerparteilichen Kritikern des mittels Solidaritätskampagne beworbenen Politikwechsels wird der Fall M. mit Sicherheit Wind in die Segel bringen. Die gut gemeinte Versicherung seines Parteivorsitzenden “Rücktrittsforderungen oder die Forderung nach anderen politischen Konsequenzen wären … absurd” sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass M.s privater Schicksalsschlag in den kommenden Monaten immer wieder Anlass zum “Scheiße werfen” sein wird (bei dem bekanntlich auch jene die nicht direkt getroffen werden, hinterher stinkende Finger haben).
Wer M. helfen will, muss sich mit öffentlicher Anteilnahme zurückhalten. Wir haben das Recht zu schweigen - Und wir sollten es nutzen!
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